Forschung an Thripsen – Historische Stationen
Forschung an Thripsen – Historische Stationen
Pater Filippo Bonanni (1638 – 1725): Erste Darstellung und Beschreibung
1691 untersuchte der Jesuitenpater mit seinem Horizontalmikroskop ein Insekt, das er im Kapitel »Musca« (Fliegen) seines Werkes »Micrographia curiosa, siue rerum minutarissimarum observationibus, quae ope microscopij recognitae ad viuum exprimuntur« (Beobachtungen kleinster Dinge, die mit dem Mikroskop erkannt werden) beschreibt und zeichnet. Die zeichnerische Darstellung Bonannis gilt heute als erste bekannte Abbildung eines Fransenflüglers. Die Details lassen sogar darauf schließen, dass Bonanni einen Vertreter der Gattung Haplothrips untersuchte. Seiner Beobachtungsgabe entging es nicht, dass die Extremitäten des kleinen Insekts besonders ausgestaltet waren: »Quatuor priorum pedum extremitates, ita efformatae erant, ut crumenas simularent è membranula lucidissima compactas« (Die vier Enden der vorderen beiden Beinpaare gleichen, so sie entfaltet sind, membranösen durchsichtigen Beuteln). Weitere Details!
Baron Carl de Geer (1720 – 1778): Blasenfüße
1744 publizierte Carl de Geer in den Abhandlungen der königlichen Akademie der Wissenschaften die »Beschreibung eines neuen Geschlechtes von Insekten Blasenfuß (Physapus) genannt«. Die Darstellungen der zwei beschriebenen Arten zeigen deutlich die Fransensäume der Flügel. In der Beschreibung geht de Geer jedoch besonders auf die Extremitäten ein: »Die Füße sind sechs an der Zahl, die beyden vordersten am Vordertheile der Brust befestigt, die vier übrigen aber an ihrem Hintertheile. An den Füßen zeiget sich ein kleiner durchsichtiger Theil wie eine Blase«. De Geer folgte damit Bonanni und hebt diese Struktur als wesentliches Merkmal der kleinen Insekten hervor.
Carl von Linné (1707 – 1778): Der Gattungsname Thrips
Der schwedisch Naturforscher Carl von Linné, der mit der binären Nomenklatur die Grundlagen der modernen botanischen und zoologischen Taxonomie schuf, prägte in seinem »Systema naturae« (Tom I, Pars II und Pars IV, 1758 und 1790) den Gattungsnamen »Thrips«. Er bezog sich dabei wohl auf Ähnlichkeiten in Erscheinungs- und Verhaltensformen (Thigmotaxis) mit Vertretern der Borkenkäfergattung Ips.
Von Linnés Erstbeschreibungen beinhalten die Arten Aeolothrips fasciatus, Thrips physapus, Thrips minutissimus, Thrips juniperinus.
Alexander Henry Haliday (1807 – 1870): Fransenflügler als Insektenordnung
Der irische Entomologe Haliday beschrieb 1836 die »Thysanoptera« (Fransenflügler) als eigenständige Insektenordnung (»The name proposed is taken from the plume-like fringes of the wings«). In seiner Schrift »An epitome of the British genera in the order Thysanoptera« (Entomological Magazine 3: 439-451) wird die neue Ordnung kurz umrissen und es werden zehn neue Arten beschrieben. Die von Haliday etablierten Gattungsnamen enden alle auf die Silbe –thrips. Von späteren Taxonomen wurde diese Art der Benennung bis auf wenige Ausnahmen übernommen. Dadurch erscheint bis heute die Nomenklatur der Thysanoptera – im Gegensatz zu anderen Insektenordnungen – sehr strukturiert und übersichtlich. Auch die Einteilung in die beiden Unterordnungen »Terebrantia« und »Tubulifera« geht auf Haliday zurück.
Heinrich (Jindřich) Uzel (1868 – 1946): Monographie der Ordnung Thysanoptera
1895 gab Heinrich Uzel im Eigenverlag seine 500 Seiten umfassende »Monografie řádu Thysanoptera« (Monographie der Ordnung Thysanoptera) heraus. Dieses Werk gilt heute als der Grundstein für die Thysanopterologie als eigenständige Forschungsdisziplin innerhalb der Entomologie. In die Monographie flossen nahezu alle zuvor publizierten Informationen über Thysanopteren ein. Sie umfasst 135 Arten (36 Gattungen), wovon Uzel 63 Arten und 11 Gattungen neu beschreibt. Die dichotomen Bestimmungsschlüssel, faunistischen Beschreibungen und die zahlreichen Abbildungen auf insgesamt 10 Bildtafeln machten dieses Buch so unverzichtbar, dass es trotz seines Gewichts von über 3kg von späteren Thysanopterologen wie Richard S. Bagnall oder Guy D. Morison im Felde mitgeführt wurde [Fedor et al. (2010): Heinrich Uzel, the father of Thysanoptera studies. Zootaxa 2645: 55–63].
Das Ende des 19. und der Anfangs des 20. Jahrhunderts waren durch zahlreiche taxonomisch-systematische Arbeiten geprägt, die zu einer beträchtlichen Zunahme der Artenzahl führten. Die wichtigsten Thysanopterologen dieser Zeit waren Warren E. Hinds (1876-1936), Heinrich H. Karny (1886-1939), Dudley Moulton (1878-1951), Richard S. Bagnall (1889-1962) und J. Douglas Hood (1889-1968). Allein Bagnall beschrieb 570 Arten und 100 Gattungen, Hood sogar 1038 Arten und 138 neue Gattungen.
Durch Bagnall und Diederich H. R. von Schlechtendal (1834–1916) entstanden in dieser Zeit auch die ersten Arbeiten über fossile Thysanopteren.
Hermann Priesner (1891– 1974): Die Thysanopteren Europas – Ein Standardwerk
Hermann Priesners Monographie »Die Thysanopteren Europas« erschien 1928. Die 755-seitige Schrift beginnt mit den einleitenden Worten: »Die zahlreichen Einzelarbeiten, die seit dem Erscheinen Uzel’s klassischer Monographie der Ordnung Thysanoptera veröffentlicht wurden, machen im Interesse der Spezialforschung sowohl, wie der Phytopathologie eine zusammenfassende Arbeit notwendig«. Dieser Notwendigkeit entsprechend schuf er ein Standardwerk, das erstmals nicht nur Imagines berücksichtigt, sondern auch Beschreibungen und Bestimmungsschlüssel für Larven liefert. Bezeichnend sind die detaillierten Informationen, die zu jeder Art Daten zu deren Verbreitung und zu Wirtspflanzen beinhalten. Durch dieses Werk avancierte Priesner in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zum wohl bekanntesten und kompetentesten Spezialisten bezüglich der Thysanoptera.
Mit der Intensivierung der Landwirtschaft Mitte des 20. Jahrhunderts gewannen die Thysanoptera als pflanzensaftsaugende Insekten zunehmend an Bedeutung. So beschäftigten sich weltweit zahlreiche Entomologen mit dieser Insektenordnung. Nennenswert erscheinen dabei v.a. die Arbeiten von: Taracad N. Ananthakrishnan (*1925), Jitendra S. Bhatti (*1939), Alexandre Bournier (1913-1998), Jacobus C. Faure (1891-1973), J. Douglas Hood (1889-1968), Guy D. Morison (1898-1978), Laurence A. Mound (*1934), Kelly O’Neill (*1920), Shûji Okajima (*1950), Jenifer Palmer (*1942), Jaroslav Pelikán (1926-2009), Brian R. Pitkin (*1945), Kanio Sakimura (1903-1989) und Lewis J. Stannard (1918-1988).
Trevor Lewis (*1933) fasste 1973 die Erkenntnisse dieser Zeit in dem Standardwerk »Thrips – Their biology, ecology and economic importance« zusammen. Charles F. Jacot-Guillarmod (1912-1979) katalogisierte die unüberschaubar gewordene Zahl der Arten und Gattungen und publizierte 1970-1979 in sechs Bänden den »Catalog of the Thysanoptera of the world«.
Gert Schliephake (1925-2007) & Richard zur Strassen (1926-2013): Zwei wichtige deutsche Thysanopterologen
Gert Schliephake, der 1975 zum außerordentlichen Professor für Spezielle Zoologie an der Pädagogischen Hochschule in Köthen berufen wurde, publizierte nach zahlreichen Einzelarbeiten 1979 in Zusammenarbeit mit Karlheinz Klimt (*1934) den 66. Teil von Dahls »Die Tierwelt Deutschlands« mit dem Titel »Thysanoptera, Fransenflügler«. Der Band ist vor allem ein Bestimmungsbuch und beinhaltet insgesamt 246 Fransenflüglerarten. Gegen Ende seines Schaffens beschäftigte sich Schliephake zunehmend mit fossilen Thysanopteren, die als Inklusen in baltischem Bernstein vorlagen. Er publizierte hierzu umfangreiche Bestimmungsschlüssel.
Als Leiter der Abteilung Entomologie I am Senckenberg-Museum in Frankfurt am Main legte Richard zur Strassen eine der größten Thysanopteren-Sammlungen der Welt an, in die unter anderem auch die Sammlung von Priesner mit einging. Weit über 200 Publikationen gehen auf zur Strassen zurück. Im 74. Teil von Dahls »Die Tierwelt Deutschlands« mit dem Titel »Die terebranten Thysanopteren Europas und des Mittelmeergebiets« erweiterte er 2003 mit einem klassischen und reich bebilderten Bestimmungsschlüssel das geografische Gebiet für diese Unterordnung der Thysanoptera.
… und heute?
Die Bedeutung der Thysanoptera als Pflanzenschädlinge und ihr ökonomischer Einfluss im Kulturpflanzenanbau und in der Landwirtschaft sind heute die hauptsächliche Triebkraft der Forschungsarbeit an dieser Insektenordnung. Entsprechende Studien bleiben dadurch oft auf wirtschaftlich relevante Arten beschränkt. Ein Übersichtswerk mit dem Schwerpunkt auf Schadarten gab Trevor Lewis 1997 mit »Thrips as crop pests« heraus. Ein entsprechendes Äquivalent im deutschsprachigen Raum stellt der 2006 in der »Neuen Brehm Bücherei« erschienene Band »Thripse« von Gerald B. Moritz (*1954) dar. Moritz, Leiter des Institut für Zoologie & Entwicklungsbiologie der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, erstellte mehrere computergestützte interaktive Bestimmungsschlüssel für Schadthripse und forscht intensiv an molekularbiologischen Bestimmungsmethoden.
Zoogeografische und faunistische Daten hingegen kumulieren nach wie vor inselartig um die Aktivitätsbereiche der wenigen Entomologen, die die Ordung der Thysanoptera unter diesen Aspekten erforschen. Als wichtigste Persönlichkeiten lassen sich nennen: Adriano Cavalleri (Universidade Federal do Rio Grande, Brasilien), Masami Masumoto, Yokohama Plant Protection Station, Tokyo, Japan, Kambiz Minaei, Department of Plant Protection, Shiraz University, Shiraz, Iran und Laurence A. Mound (*1934), ehrenamtlicher wissenschaftlicher Mitarbeiter der Australian National Insect Collection, CSIRO, Canberra, Australien.
Mounds Publikationsliste erscheint fast endlos: Mit nahezu 400 Arbeiten gilt er heute als Koryphäe aller Gebiete der Forschung an Thysanopteren. Mound betreibt zudem mehrere Websites, wie OZ Thrips – Thysanoptera in Australia, CSIRO Entomology – Thysanoptera, und ThripsWiki – Information on the World’s thrips.
Weltweit betrachtet bin ich wohl der einzige Thysanopterologe, der nicht an ein Institut gebunden ist und der diese Art der Forschung als eine Überschneidung aus freiberuflicher Tätigkeit und geliebtem Hobby betreibt.
Teile der Texte nach Moritz, G. (2006): Thripse. In: Moritz, G. (Ed.): Pflanzensaftsaugende Insekten – Band 1.
Die Neue Brehm-Bücherei Bd. 663. Westarp Wissenschaften, Hohenwarsleben.
NEU: Fraß- & Schadspuren
NEU: Aeolothrips intermedius
NEU: Hercinothrips aethiopiae
NEU: Thrips atratus
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